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(Oftmals) kein wirksamer Verzicht auf Urlaub im Prozessvergleich


Ausgabe Juli 2025
Geschrieben von

Thorsten Sierk

Kündigungsschutzprozesse enden vor Gericht bekanntermaßen häufig durch Prozessvergleich. Hierbei stellt sich regelmäßig die Frage, wie mit offenen oder noch entstehenden Urlaubsansprüchen umzugehen ist. Vor Ende des Arbeitsver­hältnisses bieten in vielen Fällen die „normale“ Urlaubsgewährung oder auch eine unwiderrufliche Freistellung unter Urlaubsanrechnung eine Lösung. Doch was ist, wenn dies von den Parteien nicht gewollt oder gar nicht möglich ist?

Die Interessenlage gestaltet sich oftmals so, dass keine der Parteien ein Interesse an der ordnungsgemäßen Ausweisung und Abgeltung des Resturlaubs im Vergleich hat. Auf die Urlaubsabgeltung fallen nämlich – im Gegensatz zu einer vereinbarten Abfindung – Sozialabgaben an. Die Versuchung ist daher groß, sich des Urlaubsanspruchs auf die ein oder andere Gestaltungsweise zu entledigen, um die „eingesparte“ Urlaubsabgeltung sozialversicherungsfrei im Rahmen einer Gesamtlösung auf die Abfindung aufzuschlagen. Obwohl diese Vorgehensweise nach einer „Win-Win“-Situation klingt, ist davon abzuraten: Zum einen werden Sozialversicherungsabgaben nicht ordnungsgemäß abgeführt, was zu Nachzahlungen und ggfs. sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen kann. Zum anderen sind derartige Gestaltungen auch arbeitsrechtlich in der Regel unwirksam – zum Nachteil der Arbeitgeber: Diese haben dann nicht nur die erhöhte Abfindung zu zahlen, sondern müssen den Urlaub dennoch zusätzlich ordnungsgemäß abgelten, wenn der Arbeitnehmer nach Abschluss des Vergleichs hierauf besteht.

Das BAG hat dies jüngst in einem Urteil klargestellt (Urt. v. 3.6.2025 – 9 AZR 104/24), welches bislang nur als Pressemitteilung vorliegt: Die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits einigten sich vor Ablauf der Kündigungsfrist im Wege eines Prozessvergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung. In Bezug auf offene Urlaubsansprüche vereinbarten die Parteien einen sog. Tatsachenvergleich: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ Mit dieser in der Praxis oftmals anzutreffenden Vorgehensweise wollten die Parteien offenbar die Folge des § 13 BUrlG umgehen, demzufolge der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichten kann. Ein Tatsachenvergleich ist jedoch wiederum nur dann zulässig, wenn die Parteien mit der Einigung eine bestehende Unsicherheit beseitigen wollen – bspw., wenn im Streit steht, wie viel Urlaub tatsächlich bereits gewährt wurde. Im vorliegenden Fall bestand eine derartige Unsicherheit jedoch ganz offensichtlich gerade nicht: Der Arbeitnehmer war im gesamten maßgeblichen Kalenderjahr der Beendigung arbeitsunfähig gewesen, sodass er völlig unstrittig den Urlaub gar nicht genommen haben konnte. Das BAG hielt die Regelung damit für unwirksam und verurteilte den Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Abgeltung des ausstehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs.

Es gilt daher: Besteht nicht ausnahmsweise einmal tatsächlich eine Unsicherheit über die Höhe des Urlaubsanspruchs, sollten sich Arbeitgeber nicht auf derartige Gestaltungen einlassen, sondern den Urlaub ordnungsgemäß abgelten und verbeitragen. Dies betrifft – wie der Fall des BAG zeigt – gerade die eindeutigen Fällen, in denen Arbeitnehmer ihren Urlaub aufgrund (langer) Krankheit vor Beendigung nicht mehr nehmen können, auch wenn hier die Versuchung besonders groß ist: Denn in diesen Fällen bestehen zum einen oftmals umfangreiche Resturlaubsansprüche, zum anderen können diese aufgrund der Erkrankung nicht einmal mit einer unwiderruflichen Freistellung beseitigt werden.

Ist zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses die Kündigungsfrist bereits abgelaufen, kann im Gegensatz dazu auf den Urlaubs(abgeltungs)anspruch arbeitsrechtlich wirksam verzichtet werden. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten: Es bliebe weiterhin sozialversicherungsrechtlich unzulässig, den „eingesparten“ Betrag stattdessen der Abfindung zuzuschlagen, um Sozialabgaben zu sparen. Um die Folgen zu minimieren, ist es daher dringend zu empfehlen, bereits im Arbeitsvertrag zu regeln, dass zumindest der (gesondert auszuweisende) vertragliche Zusatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten wird. Denn die vorstehenden rechtlichen Maßgaben gelten grundsätzlich nur für den gesetzlichem Mindesturlaub.