Neues vom BAG zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats
Dr. Sophie Spicker
Schließt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ab, muss auf die ordnungsgemäße Beschlussfassung geachtet werden. Dies bestätigt eine aktuelle Entscheidung des BAG aus Mai 2025 (Urt. v. 20.5.2025 – 1 AZR 35/24). In dieser Entscheidung hatte der 1. Senat über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung zu Entgeltkürzungen und damit auch über die Wirksamkeit des ihr zugrundeliegenden Betriebsratsbeschlusses zu befinden. Relevant war insbesondere die praxisrelevante Frage, ob bei kurzfristigem Ausfall eines Betriebsratsmitglieds zwingend ein Ersatzmitglied geladen werden muss.
Der Entscheidung lag die Klage eines Arbeitnehmers zugrunde, der sich gegen Entgeltkürzungen aus einer ablösenden Betriebsvereinbarung wandte. Am Tag der Beschlussfassung des Betriebsrats über die Betriebsvereinbarung teilte ein Betriebsratsmitglied dem Vorsitzenden am Vormittag seine krankheitsbedingte Verhinderung mit. Für dieses Mitglied wurde kein Ersatzmitglied geladen. Der Kläger machte daraufhin die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung geltend.
Das BAG wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Die Betriebsvereinbarung sei auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses wirksam zustande gekommen. Die Erfurter Arbeitsrichter stellten zunächst fest, dass die rechtzeitige Ladung sowohl der Betriebsratsmitglieder als auch etwaiger Ersatzmitglieder Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beschlussfassung ist. Ob aber bei kurzfristigem Ausfall eines Mitglieds des Betriebsrats eine rechtzeitige Nachladung eines Ersatzmitglieds noch möglich und damit zwingend sei, richte sich nach den objektiven Umständen des Einzelfalles. Insoweit verfüge der Betriebsratsvorsitzende über einen weiten Beurteilungsspielraum. In der Regel dürfe er davon ausgehen, dass eine rechtzeitige Nachladung nicht mehr möglich sei, wenn – wie hier – die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds erst am Tag der Sitzung bekannt werde.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass ein Arbeitgeber beim Abschluss einer - für ihn günstigen bzw. wichtigen - Betriebsvereinbarung stets auch das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses überprüfen sollte. Denn beruft sich der Arbeitgeber im Prozess auf eine Betriebsvereinbarung, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen dieser Vereinbarung und damit für die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats. Bereits 2022 hatte das BAG entschieden, dass Arbeitgeber nicht auf den „Anschein“ eines ordnungsgemäßen Beschlusses vertrauen dürfen (Urt. v. 8.2.2022 – 1 AZR 233/21). Arbeitgeber sollten daher zeitnah nach Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung vom Betriebsrat diejenigen Informationen und Unterlagen anfordern, die notwendig sind, um die wirksame Beschlussfassung zu überprüfen. Werden hierbei wesentliche Mängel festgestellt, sollte beim Betriebsrat auf eine erneute, ordnungsgemäße Beschlussfassung hingewirkt werden. Immerhin führt nicht jeder formelle Fehler zur Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses. Nur wesentliche Verfahrensfehler – wie z.B. die nicht rechtzeitige Ladung von Betriebsratsmitgliedern und der erforderlichen Ersatzmitglieder in der nach § 25 Abs. 2 BetrVG zwingend vorgegebenen Reihenfolge – machen den Beschluss unwirksam.