Nachvertragliche Verschwiegenheitsklauseln – Je konkreter desto besser

Dr. Nina Tholuck
Es ist einfach keine schöne Vorstellung: Ein wichtiger Mitarbeiter wechselt nach langjähriger Tätigkeit zum Konkurrenten und berichtet dort brühwarm, wie es beim bisherigen Arbeitgeber so zugeht – Geschäftsgeheimnisse inklusive. Um sich vor dieser Situation zu schützen, vereinbaren viele Unternehmen in Arbeits- und Aufhebungsverträgen umfassende Verschwiegenheitsklauseln, durch die der Mitarbeiter verpflichtet werden soll, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse” sowie am liebsten über alle „internen Angelegenheiten und Vorgänge“ Stillschweigen zu wahren. Wie das BAG jüngst entschieden hat, führen solche sog. ”Catch-All-Klauseln” aber nicht zum gewünschten Ergebnis (Urt. v. 17.10.2024 – 8 AZR 172/23).
In dem zu entscheidenden Fall erfuhr der ehemalige Arbeitgeber eines ausgeschiedenen Mitarbeiters, dass dieser noch während seiner Tätigkeit für das Unternehmen unter einem Pseudonym per E-Mail sensible Produktionsdaten an potentielle Kunden gesendet hatte. Der ehemalige Arbeitgeber machte daraufhin einen Unterlassungsanspruch geltend, konnte aber vor dem BAG nicht obsiegen. Die Verschwiegenheitsklausel des Arbeitsvertrags – es handelte sich um die eingangs erwähnte Catch-All Klausel – benachteilige dem BAG zufolge den betroffenen Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB und sei deshalb unwirksam. Das BAG betonte, dass eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht sich allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen könne. Eine umfassende Stillschweigensvereinbarung schränke dagegen die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig ein. Ein ehemaliger Arbeitnehmer dürfe im Rahmen einer neuen Tätigkeit sein im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen einsetzen. Wolle der Arbeitgeber dies verhindern, müsse er ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot i.S.d. §§ 74 ff. HGB vereinbaren.
Die fehlende – weil unwirksame – Verschwiegenheitsklausel führte dazu, dass ein Unterlassungsanspruch auch nicht unmittelbar auf das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gestützt werden konnte. Zwar regelt § 6 GeschGehG sogar ausdrücklich, dass der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzter bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Obwohl es sich bei den vom Mitarbeiter versendeten Informationen um sehr sensible Informationen zu Produktionsvorgängen – also eigentlich dem Paradebeispiel eines Geschäftsgeheimnisses – handelte, entschied das BAG, dass es sich dabei nicht um Geschäftsgeheimnisse nach dem GeschGehG handele. Denn ein Geschäftsgeheimnis kann gem. § 2 GeschGehG nur eine solche Information sein, die Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist. An diesen angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen fehlte es im konkreten Fall, da weder eine Verschwiegenheitsklausel hinsichtlich konkreter Informationen vereinbart noch ein (technisches) Kontrollsystem etabliert war. Mit anderen Worten: Wer nichts tut, um seine Geheimnisse zu schützen, kann dies auch nicht von anderen erwarten.
Die Entscheidung des BAG ist wenig überraschend, zeigt aber sehr eindrücklich, dass Geheimnisschutz kein „Selbstläufer” ist, sondern eines umfassenden und gut durchdachten Schutzkonzeptes bedarf. Arbeitgeber müssen genau prüfen, welche Informationen tatsächlich geheimhaltungsbedürftig sind und diese dann auch entsprechend schützen – sowohl durch konkrete vertragliche Verschwiegenheitsklauseln als auch durch technische Vorkehrungen (wie zum Beispiel Passwortschutz, eingeschränkte Lesebefugnisse etc.).