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BAG-Grundsatzurteile zur Betriebsratsvergütung


Ausgabe Oktober 2025
Geschrieben von

Dr. Maximilian Kulenkampff

Das Thema der rechtmäßigen Betriebsratsvergütung beschäftigt seit der Entscheidung des BGH in Sachen VW im Januar 2023 (siehe unsere Newsletter Juli 2023 und Januar 2024) Rechtsprechung und Praxis gleichermaßen intensiv. Nun hat das BAG erstmals mehrere Grundsatzentscheidungen – vor allem zur Darlegungs- und Beweislastverteilung – getroffen (Az.: 7 AZR 46/24, 7 AZR 159/24, 7 AZR 179/24 und 7 AZR 181/24), die den Umgang mit dieser Thematik nachhaltig prägen werden.

Zunächst hat das BAG klargestellt, dass sich die Betriebsratsvergütung (weiterhin) nach zwei gesetzlichen Vorgaben richtet. Einerseits ist zu berücksichtigen, wie sich die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer betriebsüblich entwickelt hat (sog. Mindestentgeltgarantie nach § 37 Abs. 4 BetrVG). Andererseits ist darauf abzustellen, wie sich die Karriere und damit die Vergütung des Betriebsratsmitglied hypothetisch ohne Amtstätigkeit entwickelt hätte (sog. hypothetische Karriereentwicklung nach § 78 S. 2 BetrVG). Damit ist die nach der BGH-Entscheidung vielfach aufgeworfene Frage, ob der BGH „das Ende“ der hypothetischen Karriereentwicklung eingeläutet hat, endgültig zugunsten der Betriebsräte geklärt. Überraschend ist das nicht. Davon sind wir schon seinerzeit nach der BGH-Entscheidung ausgegangen (Newsletter Juli 2023) und auch der Gesetzgeber hat das mit § 78 S. 3 BetrVG n.F. bestätigt.

Zum wiederholten Male betont das BAG, dass bei der Bildung der Vergleichsgruppe nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG auf den Zeitpunkt der erstmaligen Amtsübernahme des Betriebsratsmitgliedes (und nicht etwa seiner Freistellung) abzustellen ist. Das ist zwar nach dem neugeschaffenen § 37 Abs. 4 S. 3 BetrVG eigentlich eine juristische Selbstverständlichkeit, stößt aber in der Praxis (vor allem bei Betriebsratsmitgliedern) häufig auf Unverständnis. Zumindest eröffnet § 37 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 BetrVG einen Ausweg, wenn sachliche Gründe einen anderen Vergleichszeitpunkt rechtfertigen. Hier muss die Rechtsprechung indes noch rechtssichere Grundsätze zum Anwendungsbereich entwickeln.

Kern der neuen BAG-Grundsatzentscheidungen ist eine Aussage zur Darlegungs- und Beweislastverteilung im Prozess über die rechtmäßige Betriebsratsvergütung: Möchte ein Betriebsratsmitglied geltend machen, dass ihm eine höhere Vergütung zusteht, trägt es für das Vorliegen der Voraussetzungen einer höheren Vergütung die Darlegungs- und Beweislast. Das BAG bestätigt insoweit aber seine bisherige Rechtsprechung, nach der  das Betriebsratsmitglied hierür  zumindest Auskunftsansprüche gegen den Arbeitgeber hat und ihm gegebenenfalls weitere Beweiserleichterungen zugutekommen.

Aus unserer Sicht praxisrelevanter ist jedoch der umgekehrte Fall: Der Arbeitgeber stellt nach rechtlicher Prüfung fest, dass die dem Betriebsratsmitglied (ggf. schon seit Jahren) gewährte Vergütung unrechtmäßig war und er diese nachträglich korrigieren möchte. In diesem Fall trägt nach der neuen BAG-Rechtsprechung (was freilich von der überwiegenden Instanzenrechtsprechung schon so gesehen wurde) der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Das soll laut BAG – und das ist neu – lediglich bei „besonderen Sachlagen“ nicht gelten, wenn sich dem Betriebsratsmitglied beispielsweise aufdrängen musste, dass es eine amtsbezogen unzulässig begünstigende Vergütungsentwicklung erfährt oder „bei einer ganz offensichtlich verfehlten und nur vorgeschoben[en]“ Vergütung.

Die Ausnahmen kommen beispielsweise dann in Betracht, wenn dem Betriebsratsmitglied eine explizit als „Betriebsrats-“ oder „Funktionszulage“ bezeichnete Sonderleistung gewährt oder eine Vergütungsanpassung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes einzig mit den „guten Leistungen“ des Mitarbeiters begründet wird. Waren Vergütungsanpassungen des Betriebsratsmitgliedes hingegen – wie im Fall des BAG – unter Verweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG bzw. auf eine „Vergleichsgruppe/Vergleichspersonen“ oder – was ebenfalls sehr häufig ist – überhaupt nicht begründet, trägt der Arbeitgeber nach der neuen BAG-Rechtsprechung die Darlegungs- und Beweislast für die Unrechtmäßigkeit der bisherigen Betriebsratsvergütung.

Unternehmen sind weiterhin gut beraten, die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben zur Betriebsratsvergütung einzuhalten und ihre bisherige (Betriebsrats-)Vergütungspraxis kritisch zu hinterfragen, um Strafbarkeits- und Compliance-Risiken zu vermeiden. Das verlangt eine sorgfältige und rechtssichere Dokumentation, insbesondere der Vergleichsdaten.